Rainer Müller-Tombrink
Bildender Künstler
Objekte des alltäglichen, urbanen, öffentlichen Raumes, die von uns Menschen abgenutzt, verschlissen und auch zum Teil der Witterung ausgesetzt werden, sind für mich malenswert.
Ich untersuche scheinbar Banales wie abgegriffene Ampelschaltkästen, Abfalleimer, verschrammte Laternenpfähle, abgetretene Metallstäbe an Brückengeländern.
Malerische Anregung sind mir ebenso Vorgartenpfeiler, Betonklötze oder Gemarkungssteine, überzogen mit Metalloxiden und Moos-, Flechten- und Luftalgenansätzen.
Diese langsamen Prozesse an Oberflächen, die der flüchtig schauende Passant als erneuerungsbedürftig, entfernenswert und damit als unästhetisch empfindet, machen mich neugierig.
Seit 1980 verwende ich konsequent weder Leinwand noch andere handelsübliche Bildträger. Ich sammele verschmutze, benutzte, verschlissene Papiere, Kartons und Pappen von der Straße. Diese Fundstücke tragen Spuren wie z.B. verwaschene Flecken, Verfärbungen, Aufdrucke, Löcher und Risse, die ich gestalterisch einbeziehe.
Das Motiv findet sich meist im unmittelbaren Umfeld des Fundortes, es drängt sich förmlich auf. Papier und Ort gehen eine besondere Symbiose ein.
Meine verwendeten Malsubstanzen gehen über das Übliche hinaus. Neben gängigen Künstlermaterialien verwende ich zum Beispiel Industrie- und Möbellacke, Spraydosenfarben, Nagel- und Lasurlacke.
Meine sinnfällige Gestaltung mit den vielfältigen, eher unüblichen Malsubstanzen betrachte ich als einen erweiterten Maltechnikbegriff im Sinne altmeisterlicher Schichtenmalerei.
Ein besonderer Werkblock beschäftigt sich mit Auslass- und Ablaufspuren, zu beobachten an Gebäudewänden, Denkmälern und Mauern, zum Teil aus Bauschäden entstanden. Sie dienen mir als malerische Inspirationsquelle, um diese Prozesse nachzuvollziehen.
So erzeugt Eisen rötliche Rostabläufe, Zink oder Blei bilden weiße Ablagerungen, Kupfer, Bronze und Messing bilden Grünspan. Ebenso werden organische Ausblühungen und Spuren von Flechten, Moosen und Algen durchdekliniert.
Ich schaffe Abbildungen erdachter Monolithe, an denen sich diese besonderen Spuren und Farbigkeiten abbilden.
Diese gemalten "Ablauftürme" entstehen dann auch im dreidimensionalen Modell oder auch als übermannsgroße Objekte.
Eine ähnliche Motivwelt beobachte und fotografiere ich im Hafen meiner Heimatstadt Hamburg. An den Schiffswänden der Ozeanriesen aus aller Herren Länder finden sich Schichten von Anstrichen, Ablagerungen, Abläufen und Schrammen, die in ihrer Vielfältigkeit und überraschend exaltierten Farbigkeit dokumentierenswert sind.
So setzt meine Malerei auf neue Art die Tradition des "Memento Mori" und der Vergänglichkeitsthematik fort.
Werdegang
geboren 1950 in Hamburg
Studium der Bildenden Kunst an der Hochschule für Bildende Künste, u.a. bei den Professoren Bazon Brock, Gotthard Graubner, Hans Thiemann und David Hockney
Ausstellungen im In- und Ausland
unter anderem
1984 Berufsverband Bildender Künstler "Thiemannschüler"
1994 Berufsverband Bildender Künstler "Gedankengebäude der Kunst"
1992 Museum für Hamburgische Geschichte "Hamburger Abläufe"
2004 Museum für Völkerkunde, Hamburg "Vedute d´agricoltura - Fotopittura"
2011 Museum Schloss Reinbek
Lehraufträge an der Hochschule für Gestaltung, Hamburg und an der Universität Lüneburg
von 1980 bis 2015 freier Mitarbeiter an der Hamburger Kunsthalle, Schwerpunkt Maltechniken und vertiefende Bildbetrachtung
begleitende Forschungsarbeit und didaktische Darstellung zu Ausstellungen des Hauses
seit 2015 ansässig in Irndorf