Entwürfe und Modelle für Ablauftürme
Diese Ablauftürme leiten sich aus meinen Beobachtungen im städtischen wie im ländlichen Umfeld her. Diese verarbeite ich künstlerisch als Fotografie oder Malerei.
Ältere Gebäude, Wände und Mauern, öffentliches Mobiliar können verschiedene Naturprozesse aufweisen.
Es handelt sich entweder um Korrosionsvorgänge, also oxidierendes Metall wie Eisen, Kupfer, Blei, oder um organische Abläufe, z.B. durch fotosysthesefähige Mikroben, Luftalgen, Pilzmycele, Flechten und Moose. In unserer technisierten und aufgeräumten Welt sind solche Erscheinungen negativ besetzt. Begründet wird dies meist mit der Angst vor Bauschäden. Zumindest aber wirken sie auf viele hässlich.
Der Spruch aus den 80ern „Die Natur braucht uns nicht, aber wir brauchen die Natur“ scheint in der Mitte der Gesellschaft angekommen zu sein. Doch der Umgang mit solchen Naturprozessen
auf privatem wie öffentlichem Boden, wo sie als unästhetisch oder verwahrlost, versifft gelten, zeigt, dass ein nachhaltiges Umdenken noch nicht gelungen ist.
Es geht mir nicht um eine Art vordergründige Naturromantik, sondern um einen ästhetischen Wertewandel. Ein ästhetisches Urteil ist auch immer ein moralisches Urteil.
Irndorfer Objekte
Violette Abläufe Obere Donau
Hier in Irndorf und in benachbarten Gebieten auf dem Heuberg finden sich an manchen Hauswänden violett-auberginefarbene Abläufe. Auch an unserem Haus zeigen sich diese Ausblühungen an der hinteren Giebelwand.
Diese Verfärbungen sind offensichtlich regional begrenzt und zeigen sich meist an einem Kratz- oder Rauhputz aus den 70er und 80er-Jahren. Die Ursache sind carotinhaltige Rotalgen, Grenzschichtbewohner in Mikrolebensräumen, die auf den hier verwendeten Putzmischungen ein ideales Habitat fanden. Sie verstärken sich über Jahre, wie an den Brückenpfeilern der Burg Wildenstein eindrucksvoll zu beobachten ist (siehe Fotos).
Künstlerisch weckten diese Erscheinungen mein Interesse. Algen waren eine der ersten Lebensformen auf unserem Planeten und werden wohl auch eine der letzten sein, wenn die Menschheit schon längst verschwunden sein wird.
So entwarf ich einige "Irndorfer Ablaufobjekte", die die Schönheit dieser passionszeitfarbigen Gerinnsel mit ihrem tonal ambivalenten Schimmern aufzeigen sollen. Vor einer wirklichen Realisierung stände zunächst eine Ursachenforschung.
Für mich haben diese Zeitlupenausschüttungen auch einen Bezug zur alten Freskenmalerei. Diese Violettfarbgruppe war in früheren Jahrhunderten wegen des seltenen Vorkommens eine Kostbarkeit.
Heinstettenobjekt
Bei Heinstetten auf der Schwäbischen Alb fiel mir ein alter Betonklotz ins Auge. Es handelt sich dabei offensichtlich um den Sockel eines Kruzifixes. Seine Geschichte kenne ich nicht. Die Oberfläche zeigt einen lebhaften, wunderschönen Flechten-, Algen- und Moosbesatz.
Zwei Ergänzungsmöglichkeiten habe ich für mich entworfen.
Zum einen eine Rostspur durch ein in die Betonstele eingebettetes Eisenblech, zum anderen
einen Algenablauf, durch Regen verstärkt. Bei beiden habe ich den bereits vorhandenen Flechtenbewuchs weitergedacht.
Hier nun die Originalfotos und die malerische Ergänzung.
Heubergobjekt
Diese Stele ist gedacht zum Ansiedeln und Aufzeigen von Algen, Flechten und Moosen. Auf der Oberfläche wird sehr langsam ein Flechten-und Moosbewuchs entstehen. Algen können sich schneller zeigen, da im Kopf der Stele eine viereckige Trichterform mit Heu gefüllt wird. Durch Regen wird die feuchte Füllung einen Algenansatz, eine Ablaufspur erzeugen, da sich unterhalb des Trichters eine dreieckige Austrittsöffnung in Anlehnung an römische Giebelformen befindet.
Solche Flechten, Algen und Moose werden nach wie vor in "gepflegten" Gärten, Parkanlagen und auf Friedhöfen mit vielfältigen, teils absurden Mitteln bekämpft.
Diesen sogenannten niederen Lebensformen biete ich ein Refugium, so dass der Betrachter ihre Schönheit und Sinnlichkeit neu entdecken kann.
Meine Installation besteht aus drei Elementen, neun aufgeblockten Fotos, die Flechten-, Algen- und Moosbewuchs auf Stein und Beton im Umfeld des Heubergs zeigen, einem Modell der Stele, Maßstab ca. 1:3 und einem Gemälde, Mischtechnik auf Karton, 1,80m x 1,04m, meine malerische Vorstellung,
wie sich das Objekt später einmal präsentieren könnte.
Ursprünglich war das meine Bewerbungsarbeit für die Jahresausstellung 2020 in der Städtischen Galerie Tuttlingen. Coronabedingt fällt diese jedoch aus.
Hommage à Josef Beuys
Erstes Algenturmprojekt 1990
2021 wäre Josef Beuys 100 Jahre alt geworden. Er starb bereits 1986. Sein Besuch an der Hochschule ist mir unter anderem durch seinen Leitsatz „Es geht darum, die Kunst auf den sozialen Körper auszudehnen“ stark in Erinnerung geblieben.
Als Hommage an ihn und sein Erdtelefon kreierte ich kurz danach meine ersten Algenturmentwürfe, die eine bestimmte Bedeutungsebene des Beuys-Objektes „Erdtelefon“ aufgriffen. Aus heutiger Sicht scheint seine Botschaft klarer denn je: Mehr Kommunikation mit der Erde.
Dafür steht der alte Siemens-Fernsprecher neben dem grasdurchwachsenen, handgeglätteten Erdklumpen, der mit dem Spaten ausgehoben wurde. Eine Grassode dieser Größe ist mit Millionen von Kleinstlebewesens besiedelt.
Das tatsächliche Verhältnis des Durchschnittsbürgers zur Natur spiegelten schon damals Werbeprospekte wieder (s.Fotos). Ausgehend von meinen Entwürfen entstand ein erster großer Algenturm für die freie Landschaft.
Dieser Turm wurde auf dem Gelände des Schullandheimes der Gesamtschule Hamburg-Harburg in Farven als Projekt mit SchülerInnen der GSH und des Rostocker Musikkonservatoriums gebaut. Das Objekt war von vorne herein als temporäre Installation gedacht. Ein Gestell, einem Jägerhochsitz nicht unähnlich, wurde im Erdreich in einer mit dem Spaten ausgehobenen Grube verankert. Das Gerüst trug eine weißgrundierte Leinwand. Über zwei Jahre wuchsen Moose und Algen und zeichneten eine wundmalartige Chlorophyllspur auf dem Bildträger. Dieser initiierte Bewuchs steht im ästhetischen Gegensatz zu Hauswänden, deren Wandfarben mit toxischen Bioziden behandelt sind, um sogenannten „Algenbefall“ zu unterbinden, mit der hinreichend bekannten Folge einer langfristigen Vergiftung unserer Gewässer.
Rechtzeitig demontiert hätte die Leinwand als Ausstellungsstück dienen können. Es kam nicht dazu, sie ging den Weg allen Vergänglichen.
Seetal, Schweiz
Ablaufpilaster, Konzept
1985
vertreten durch die Galerie von Loeper, Hamburg
Zwei Pilaster, an einer Wand hochgezogen, zeigen eine Rostspur ausgelöst durch eine Eiseneinlage und daneben eine Grünalgenansiedlung.
Diese Halbsäulen wirken wie Indikatoren, die den Stand des Ablaufvorganges aufzeigen.